Von Mitarbeiter:innen zu Mitdenker:innen. Zu faul zum Denken?
März 2020
Lesezeit: 14 Min
Von Mitarbeiter:innen zu Mitdenker:innen. Zu faul zum Denken?
Meine ersten Schritte als Führungskraft waren prägend. Warum es Sinn macht, Mitarbeiter:innen in die Eigenverantwortung und Selbstermächtigung zu begleiten und der spannende Weg vom Denken 1.0 zum Denken 4.0 und 5.0. Neue Wege, neue Methoden und Denkweisen sind erforderlich, um nachhaltig erfolgreich in der Arbeitswelt der Zukunft anzukommen.
Die wichtigsten Themen im Überblick:
- Sind Sie eine ungeduldige Führungskraft?
- Raus aus alten Mustern: So geht’s
- Differenziertes Denken und digitales Mindset
- Neue Ansätze für nachhaltige Lösungen
- Denken wir noch zeitgemäß?
- Wie sehen die nächsten Schritte aus?
- Unternehmerisches Denken, Usability und „just in time“
- Digitale und mentale Transformation
- Neue Denkweisen erfordern anderes Recruiting
- Design Thinking als geeignetes Instrument?
- Leadership statt traditioneller Führung
- Fazit: Digitalisierung ist mehr als nur die Umwandlung des Analogen
Als ich vor mehr als 35 Jahren meine erste Führungsfunktion übertragen bekam, sah das Bild wie folgt aus: Meine Mitarbeiter:innen waren es gewohnt, Anordnungen entgegenzunehmen und auszuführen. Genau in der Form, wie diese gegeben wurden. Ständig stand jemand in meinem Büro und verlange nach einer neuen Aufgabe oder einer Lösung. Dieses Verhalten ließ ich nicht lange zu und versuchte die Mitarbeiter:innen aufzurütteln, denn ich was es leid ununterbrochen bei der Arbeit gestört zu werden.
Selbst Lösungen finden und Verantwortung übernehmen
Um meine Mitarbeiter:innen aus der Reserve zu locken, war meine Standardfrage „Was schlagen Sie vor?“. Das löste anfangs Verwunderung und Irritation aus, denn sie erwarteten eine Lösung von mir und plötzlich sollten sie selbst Vorschläge bringen. Manche Mitarbeiter:innen trauten sich nicht ihre Ideen zu präsentieren. Vielleicht aus Angst, schlechten Erfahrungen, Scheu oder der Unsicherheit, etwas falsch zu machen. Diese einfache Frage irritierte zunächst, aber als sie zunehmend die positive die Erfahrung machen konnten, dass sie in ihren Vorschlägen unterstützt und ermutigt wurden und die Bestätigung erhielten, dass sie genau so handeln sollten, fassten sie immer mehr Vertrauen in die eigenen Ideen und Fähigkeiten.
Selbst denken und eigenverantwortlich handeln bedeutet auch, die Folgen des eigenen Handelns zu tragen. Aber da sich mein Team der Rückendeckung meinerseits sicher sein konnte, wurde das System der Eigenverantwortung, Selbstermächtigung und Selbstständigkeit im Sinne des eigenen Unternehmer:innen seins ein Selbstläufer, bei dem es darum ging, Rahmenbedingungen, Kommunikationswege und Ziele zu vereinbaren, zu steuern und zu überwachen. „Kontrolliere um zu loben“, war ein weiterer Baustein dazu, die Mitarbeiter:innen zu Mitdenker:innen werden zu lassen.
Sind Sie eine ungeduldige Führungskraft?
Ungeduld und Perfektionismus vermitteln dem Team leicht den Eindruck, dass die Führungskraft alles besser weiß. Aber eine perfekte oder schnelle Lösung bringt einem nur kurzfristig ans Ziel. Wer selbstständige und eigenverantwortliche Mitarbeiter:innen haben möchte, muss seinen eigenen Lösungsimpuls kontrollieren. Stattdessen ist es wichtig, Lösungen, Ideen und Vorschläge der Mitarbeiter:innen einzufordern. Beständig, konsequent und wenn es stockt, mit Fragen zur Lösung führen. So wie ein guter Coach seinen Klienten durch gezielte und geschickte Fragen zur seiner eigenen Lösung führt.
Raus aus alten Mustern: So geht’s
Wer seine Mitarbeiter:innen dazu bringen möchte, Probleme zu lösen statt Aufträge zu erteilen und lange (Rechtfertigungs-) Diskussionen zu führen, sollte folgendes einführen:
Verlangen Sie Lösungsvorschläge. Am besten drei (mindestens aber einen). Diese neue Regel schriftlich festhalten und im Unternehmen kommunizieren.
Seien Sie konsequent. Wenn Mitarbeiter:innen ohne Ideen kommen, nur jammern und erklären, warum dieses oder jenes nicht möglich sei: Wegschicken, freundlich, aber bestimmt und zur Lösungsfindung animieren.
Bieten Sie sich als Sparringspartner an. Nehmen Sie sich Zeit für jedes wichtige Projekt, das Ihre Mitarbeiter mit Ihnen besprechen wollen. Treffen Sie sich zu einem persönlichen Termin, verlangen Sie zu diesem Gespräch Lösungsvorschläge.
Wenn ein Projekt oder eine Situation zu komplex oder unübersichtlich ist oder auch die Kompetenzen der Mitarbeiter:in übersteigt, unterstützen Sie als Coach mit den richtigen Fragen.
Differenziertes Denken und digitales Mindset
Mitarbeiter:innen arbeiten mit. Sie warten auf Anordnungen von oben und führen sie aus. Ein Modell der vergangenen Generationen. Eines welches lange Zeit überlebt hat und heute nur noch in streng hierarchisch organisierten Einheiten wie etwa dem Militär, in Blaulichtorganisationen und in Krisenzeiten angebracht scheint, aber immer noch in vielen Organisationen gelebt wird.
Die weltweite Vernetzung, die Globalisierung, die zunehmende Abhängigkeit der Wirtschaft von Produktentwicklungen und Lieferprozessen, die technische und technologische Entwicklung der letzten Jahrzehnte und die zunehmende arbeitsteilige Organisation und die Vielgliedrigkeit der Prozesse mit ihren Schnittstellen erfordern ein neues Denken. Es braucht die Entwicklung vom Mitarbeiter zum Mitdenker. Vom Anweisungen Ausführenden, hin zum Creator und Entwickler, dem selbstständig und eigenverantwortlich denkenden und handelnden Menschen.
Dies ist erforderlich, da zum einen die Intelligenz der Menschen genützt werden muss um Herausforderungen meistern zu können und zum anderen, da die technische Entwicklung rasend schnell voranschreitet. Das alles wird u.a. beschleunigt durch aktuelle Themen wie Klimakrise & Energiewende, aber auch technologische Entwicklungen (künstliche Intelligenz) und neue (digital dominierte) Arbeitsformen: Home-Office und Videokonferenzen sind selbstverständlich. Zu Kunden und Mitarbeiter:innen, Eigentümer:innen, Auftraggeber:innen, Medien, Behörden usw. werden neue (digitale) Wege gefunden, es werden neue Ideen und Mittel eingesetzt.
Ein neues Digitales Mindset ist somit für viele Beschäftigte, insbesondere in den Büros der Unternehmen, ein Muss. Aber auch in allen anderen Branchen werden wir die Veränderungen insbesondere des technologischen Wandels sehen und spüren. Die erforderliche digitale Transformation ist nichts als ein weiterer Wandel in der Wirtschaftsgeschichte.
Was es noch braucht, ist eine Kultur des digitalen Mindsets. Dabei ergeben sich einige wesentliche Fragestellungen. Wie verändert die digitale Transformation und Vernetzung unsere Arbeitswelt? Welche Anforderungen und Herausforderungen entstehen für die Mitarbeiter:innen? Wie muss ein Mensch in der Welt 4.0 oder gar 5.0 denken?
Die technologische Transformation hat schon längst begonnen. Die Nutzung der neuen Technologien ist für viele Menschen und nicht nur die junge Generation selbstverständlich geworden. Aber, es braucht noch eine weitere Sensibilisierung für die Veränderungen, welche in der Arbeitswelt gerade vor sich gehen, um den Nutzen, die Vorteile und die Potentiale des Neuen zu erkennen. Die Vielfalt und Komplexität der neuen Arbeitswelt erfordert ein viel differenzierteres Denken und somit einen neuen, digitalen Mindset.
Die Welt der Start-Ups lebt das schon gut vor.
Die digitale Transformation im Geschäftsleben betrifft alle Branchen. Ausnahmen gibt es kaum. Netzwerkorganisierte Strukturen entstehen allerorts. Das bedeutet, dass hierarchisches Denken durch prozessorientiertes Denken ersetzt werden muss.
Neue Ansätze für nachhaltige Lösungen
Design Thinking oder Hybrid Thinking sind Themen, welche den Mitarbeiter:innen zu vermitteln sind. Ob dazu alle in der Lage sind, ist eine andere Frage. Dass wiederum bedeutet, dass es noch wichtiger wird als dies bisher schon der Fall war, die passenden Mitarbeiter am richtigen Platz einzusetzen. Und dafür zu sorgen, dass diese Mitarbeiter:innen entsprechende Fähigkeiten für die digitale Welt vermittelt bekommen und diese auch anwenden können. Das Ganze auch selbstmotiviert und eigenverantwortlich. Darüber hinaus sollten sie ihren eigenen Fähigkeiten und Neigungen entsprechend eingesetzt werden, um einen optimalen Wirkungsgrad der Arbeit erlangen zu können. Denn nur wer das tut was er gut kann und gerne macht, also seinen Talenten und Neigungen entsprechend eingesetzt wird, ist auch selbstmotiviert, eigenverantwortlich und initiativ und bereit über den eigenen Tellerrand hinausblicken. Selbstermächtigung ist das Schlagwort der Stunde.
Wie kann das digitale Mindset implementiert werden?
Es ist einsichtig, dass ein neues digitales Mindset nicht verordnet und schon gar nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Der Mensch braucht trotz Krisen und rasanter Entwicklungen Zeit für Veränderungen. Je länger eine Ausnahmesituation dauert, umso nachhaltiger werden die Anpassungen und Veränderungen im Menschen wirksam. Wäre die Dauer nur kurz, so würden die Menschen, Unternehmen und die Wirtschaft insgesamt wieder in die eingefahrenen, alten Verhaltensweisen und Prozesse zurückfallen.
Die technischen Innovationen der Zukunft, wie etwa Internet of Things, Artificial Intelligence, Robotics, Self Driving, Voice Assistant u.v.a.m. lassen unser bisheriges Denken und Verhalten überholt erscheinen. Sie fordern neue (digitale) Denkhaltungen, Denkmuster und Strukturen der Nutzer:innen, um sie verstehen und nutzbar machen zu können. Die digitalen Techniken (Hard- und Software Entwicklungen) machen das Leben schneller, effizienter, sicherer, aber auch fordernder. „Always on“, so die Devise.
Denken wir noch zeitgemäß?
Die Erklärungen der Psychologie und Erkenntnisse aus der Hirnforschung sind nicht Teil dieser Ausführungen. Hier wird versucht, ein Bild der sichtbaren Situation zu geben. Welche Fragen ergeben sich aus der schnellen technologischen Entwicklung:
- Wo bleibt der Mensch?
- Ist der Mensch überhaupt in der Lage, diesen Entwicklungen zu folgen?
- Kann der Mensch mit den bisherigen Denkmustern die Herausforderungen der Zukunft bewältigen?
- Welche Alternativen gibt es?
Die herkömmlichen Denkweisen aus der analogen Welt (Denken 1.0) in die Zukunft zu transformieren und in der digitalen Welt (Denken 4.0 und kommend auch 5.0) anzukommen, ist die Herausforderung. Wir können dazu aber nicht einfach einen Schalter von 1.0 auf 4.0 umlegen, das wäre zu einfach. Diese Umstellung kann nur im Sinne eines Prozesses erfolgen und braucht Zeit. Dieser Prozess verlangt zum einen ein Verständnis über unser Denken und unsere Handlungen insgesamt, als auch darüber, was geändert werden soll und warum. Letztlich bedeutet das, dass sich die Menschen auf ein neues Mindset vorbereiten müssen.
Bei der Analyse der Wirtschaftsgeschichte fällt auf, dass es immer 10-15 Jahre gedauert hat, bis sich neue Ideen, Prozesse und Verhaltensweisen durchgesetzt haben. Das beste Beispiel dazu liefert die Geschichte der Industrialisierung. Zuerst hatten die Menschen Angst, ihre Arbeitsplätze zu verlieren und nicht mehr benötigt zu werden. Dies war bei der Dampfmaschine genau so der Fall wie bei der Elektrifizierung und bei der Ablöse der Pferdekutschen durch motorgetriebene Fahrzeuge. Da gibt es noch viele weitere nachvollziehbare Beispiele.
Ähnliches geschieht jetzt mit der Umstellung auf die Industrie 4.0 und das wird auch beim nächsten absehbaren Schritt Richtung 5.0 nicht anders werden. Jede Veränderung braucht Zeit, die Anpassung des Denkens und der Prozesse und Strukturen erfolgt nur schrittweise.
Durch die Robotisierung und dem Internet of Things werden alle Produkte miteinander vernetzt. Der Mensch wird in verschiedenen Bereichen ersetzbar gemacht und letztlich wegrationalisiert. Eine neue Bedrohung, ganz nach altem Muster, die es zu bewältigen gilt.
Wo stehen wir jetzt?
Bei Betrachtung der technischen Entwicklung fällt auf, dass sich der Mensch in der Vergangenheit in seinem Denken und Verhalten laufend an die Gegebenheiten anpassen konnte. Mit dem Unterschied, dass die Entwicklungsschritte früher langsamer vor sich gingen und die Entwicklung von Generation zu Generation einigermaßen nachvollziehbar war. Mit der Entwicklung der IT-Systeme und Anwendungen hat sich das Leben wesentlich beschleunigt und es bleibt kaum noch Zeit sich der zunehmenden Geschwindigkeit und den Veränderungen anzupassen.
In folgendem Chart ist die Entwicklung in einzelnen Schritten dargestellt.
Die industrialisierte Welt sieht sich heute im „Intermedialen Denken“ auf der Stufe 3.0 welches durch Mobile Apps gekennzeichnet ist. Apps sind in Alltag und Beruf allgegenwärtig. In den Stores der Anbieter warten Millionen von Anwendungen auf die Kunden. Viele werden gekauft aber nur wenige verwendet. Genutzt werden hauptsächlich jene mit der besten Usability und der besten User Experience.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Die Entwicklung geht vom „Content Denken“ in die Stufe 4.0, zum Service Denken, in Stufe 4.0 und 5.0. In Stufe 4.0 übernehmen digitale Assistenten selbstständig Aufgaben aller Art. Diese Anwendungen sind schon in einem beginnenden Stadium vorhanden, wie teilweise auch jene der Stufe 5.0, auch wenn sie teilweise noch unausgereift wirken mögen. AI Bots und Digitale Zwillinge werden nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Die gute Nachricht dabei ist, dass mit jeder höheren Stufe auch die User Experience besser wird. Die Komplexität im Hintergrund aber extrem höher. Der Mensch wird im Denken verwöhnt und braucht sich nicht mehr anstrengen.
Damit wird dem Wunsch nach Einfachheit und „dem nicht mehr denken wollen“ – „Don´t make me think“ Rechnung getragen. Dies zum Preis einer hohen Abhängigkeit von Systemen und dem, was inhaltlich programmiert wurde. Sind die Systeme einmal offline, dann stellt sich die Frage, wie der vom natürlichen Leben entwöhnte Mensch ohne diese Hilfsmittel zurechtkommt.
Was bedeutet das alles für die Mitarbeiter?
Die Änderungen der Arbeitswelt durch die fortschreitende Digitalisierung betrifft nicht nur Mitarbeiter:innen in sogenannten Büroarbeitsplätzen. Auch das Handwerk, der Handel und fast alle Branchen sind schon damit befasst oder werden von den Änderungen betroffen sein.
So werden z.B. LKW-Fahrer:innen nicht mehr nur einfach LKW fahren. Durch die immer intensivere und tiefer greifende Vernetzung der Prozesse und autonomen Fahrsysteme werden die Anforderungen an die Fahrer:innen steigen und Tätigkeiten, welche bisher von einer Zentrale erledigt wurden, werden zusehends vor Ort verlagert. So wird das fahrende Personal zum Kopfarbeiter, zum Dispatcher und zum Kundenbetreuer, der sich zukünftig damit beschäftigen wird, wie die Waren am effizientesten von A nach B gebracht werden. Die Konsequenz ist, dass immer mehr physische Handarbeit hin zur Kopfarbeit verlagert wird, da IoT, Robotics und diverse digitale Assistenten viel dieser Arbeiten übernehmen können. Hier schließt sich der Kreis wieder: Eine Entwicklung von der Mitarbeiter:in zur Mitdenker:in ist erforderlich.
Unternehmerisches Denken, Usability und „just in time“
Diese Entwicklung ist schon einige Zeit zu beobachten. Viele Betriebe suchen vermehrt Menschen, die in der Lage sind, unternehmerisch zu denken. Meines Erachtens das Erfolgsrezept und -konzept der Zukunft, um in einem immer schwierigeren, globalisierten Markt zu überleben. Nicht nur die richtigen Strategien, Produkte, Prozesse und Mitarbeiter, sondern auch eine kundenzentrierte Arbeitsweise sind für den Erfolg unabdingbar. Spezialisierte Generalisten als Maßstab gelingender Organisationen. Menschen welche Mitdenken und Gestalten. Unternehmer:innen eben.
Dabei kommt dem Methodenwissen in Zukunft mehr an Bedeutung zu als dem Fachwissen. Wissen und Fakten lassen sich schnell über die digitalen Geräte eruieren.
Computer, Tablet und Handy sind intuitiv bedienbar und bei der digitalen Transformation ungemein hilfreich. Die Benutzerfreundlichkeit steht für ein neues Denken, nämlich eine auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtete Sichtweise und Bedienung. Das iPhone ist so ein Vertreter dieser Kategorie. Erstmals wurde ein Gerät nicht mehr aus der Techniksicht, sondern aus der Benutzersicht gedacht. Der Erfolg gibt dem Konzept schon seit mehr als einem Jahrzehnt recht.
Nutzer sind es gewohnt, immer und überall auf Informationen zugreifen zu können. Dieser Trend entspricht einer Forderung fast aller Gesellschaftsschichten. Es ist mittlerweile gewohnte Übung, Produkte über neue Technologien, Apps und Plattformen zu bestellen, Reisen zu buchen, Informationen einzuholen und unmittelbar mit Personen und Lieferanten in Kontakt treten zu können.
Die Anbieter versuchen über Internet und neue Dienste ihre Dienstleistungen und Produkte auf einfache und unkomplizierte Weise zu vermarkten. In einigen Bereichen, wie etwa im Sport, ist mittlerweile feinste Sensorik zu finden, die immer und überall leistungsfähiger wird und alles miteinander in Beziehung setzt und verknüpft. Das bringt Optimierungsvorteile für den Kunden, führt aber auch zu mehr Transparenz jedes einzelnen Kunden. Dem steht natürlich die Datenschutzgrundverordnung entgegen.
Die Erfahrung zeigt, dass vielen Kunden das Wissen über die eigenen Daten, ihre persönliche Optimierung und Bequemlichkeit wichtiger sind als die Bedenken der Datenschützer über den „gläsernen Menschen“. Mittlerweile gibt es immer mehr Alltagsobjekte, die mit Mikrosensorik ausgerüstet werden, um jeden noch so kleinen Wunsch der Kunden schnellstmöglich erspüren zu können. Ein Beispiel dafür sind die Smart Watches, welche die bisher marktführende Schweizer Uhrenindustrie überholt haben. Alles scheint machbar zu sein, die Grenzen verschieben sich rasend schnell. Was heute als unmöglich galt, ist morgen Realität.
Das Internet der Dinge steckt nicht nur im Armband, sondern mittlerweile in vielen Bereichen. Sprachsysteme wie Siri, Alexa und Co, sowie Home Systeme für Licht, Beschattung, Heizung u.a. haben mittlerweile einen beträchtlichen Marktanteil gefunden. Dieser wird sich auch durch stetige Weiterentwicklung und immer kundenfreundlichere und einfachere Bedienung ausweiten. Die jüngere Generation an Menschen, welche mit PC, Smartphone und dem Internet der Dinge aufgewachsen ist, zeigt sich sehr affin zu den neuen Techniken und nutzt sie intensiv.
Usability als Treiber für die Veränderung
Die Nutzererwartungen ändern sich immer schneller. Die Generation der „Netzwerke“ ist es gewohnt, immer und überall auf Informationen, Dienstleistungen und Produkte zugreifen zu können. So wie sich Unternehmen für ihre Produktionen alles „just in time“ liefern lassen, agieren die Menschen der jüngeren Generation. Nichts kann schnell genug, einfach genug und transparent genug sein. Die Auskunft über Lieferabfolgen werden zu Normalinformationen. Zu wissen, wann ein Produkt zum Versand fertiggemacht wurde, wo es sich gerade befindet und wann es wo abgeholt werden kann, ist mittlerweile Standard. Last und Vergnügen zugleich. „Always on, so die Devise“.
Die Anforderungen der Mitarbeiter:innen und Kunden ändern sich. Um eine gute Nutzerfreundlichkeit, also eine gute Usability darstellen zu können ist ein neues Denken erforderlich. Altes Denken ist out, neues in.
Bei einem der größten Logistikkonzerne der Welt wird bei den Mitarbeiter:innen vorausgesetzt, dass sie ständig an der Optimierung ihrer Arbeit dran sind. Es ist mittlerweile Teil des Jobs, zu überlegen: „Wie steigere ich meine Usability, wie erreiche ich mein Ziel schneller, wie kann ich meine Wege optimieren, usw.“ Individueller zu denken und zu handeln, situativ relevanter zu agieren und jederzeit alles in Frage stellen zu können, ja sogar disruptives Denken und Handeln in das normale Arbeitsrepertoire aufzunehmen, ist der Ansatz des neuen Denkens und der neuen Arbeitsweise.
Woher kommt diese Entwicklung? Es sieht nach einem Henne-Ei Paradoxon aus. Der Markt und somit die Kunden verlangen laufend neue Dienstleistungen und Produkte, die immer einfacher und intuitiver und zu bedienen sind. Die Unternehmen liefern im ständigen im Wettbewerb um die besten Ideen, was die Kunden anscheinend haben wollen. Usability ist somit der natürliche Treiber für die Veränderung!
Damit stehen die Menschen und ihre Bedürfnisse im Vordergrund. Und die neue Technik hilft dabei tatsächlich, Nutzerzentrierung und nicht nur Nutzerorientierung zu leben. Den Unternehmen helfen die Digitalisierung und die Verfügung über die Daten der Kunden situativ bessere Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten. Die Unternehmen wissen somit, was die Kunden wollen. Dieses Wissen führt zu einer immer besseren Usability und zu einer erfolgreiche User Experience für die Kunden.
Digitale und mentale Transformation
Es sieht so aus, als ob die digitale Transformation eine große Herausforderung darstellt. Wahrscheinlich ist sie hauptsächlich eine mentale Transformation: Alte Denkweisen und Verhaltensregeln gelten nicht mehr. Neue Denkmuster, Regeln und Gesetzmäßigkeiten müssen gezielt entwickelt werden.
Das ist eine enorme Herausforderung für alle Mitarbeiter:innen. Sowohl anbieter- als auch nachfrageseitig. Das bedingt, dass die Kompetenzen der Mitarbeiter:innen entsprechend ausgebaut, geschult und gefördert werden: Von Handarbeiter:innen zu Kopfarbeiter:innen. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie Mitarbeiter:innen zügig auf neue Anforderungen und Denkweisen schulen und in die Welt der Digitalisierung mitnehmen müssen. Eine mentale Transformation ist zwingend erforderlich.
Neue Denkweisen erfordern anderes Recruiting
Altes Denken über Bord werfen – einfacher gesagt als getan. Das bedeutet, aus alten, eingefahrenen Mustern auszubrechen. Das ist nicht die leichteste Disziplin für unwillige oder änderungsresistente Menschen. Alte Denkweisen sind eingeprägt und werden, da sie wahrscheinlich in vielen Fällen nutzbringend waren, gerne beibehalten. Das gibt ein Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit. Wenn man nicht von klein auf gelernt hat, flexibel, innovativ und kreativ zu denken, fallen Änderungen sehr schwer.
Viele Unternehmen denken daher in ihrem Recruiting um, bauen ihre Unternehmensphilosophie um und änderungsresistente Führungskräfte ab. Neue, kreative, innovative Mitarbeiter werden gesucht. Letztlich seht nicht mehr das Produkt oder die Dienstleistung im Vordergrund, sondern die Intelligenz und Innovationsfähigkeit, das kundenzentrierte Denken.
Eine derartige Transformation ist sensibel und sozial verträglich zu gestalten. Diejenigen, die den neuen Weg noch nicht erkannt haben, sollten ebenso eine Chance bekommen, diesen Weg mitzugehen. Denn zusätzlich braucht es oft auch die Expertise der erfahrenen Mitarbeiter. Eine Transformation, welche mit Erhalt des Fachwissens und unter Implementierung des neuen Denkens einhergeht, bietet für alle Beteiligten die besten Zukunftsaussichten.
Die Kernfrage ist daher: „Wie schaffen wir es, die Mitarbeiter in den neuen, erforderlichen Dimensionen zu befähigen?“
Design Thinking als geeignetes Instrument?
Standen früher Fachwissen, Durchsetzungsfähigkeit und Erfahrung von Mitarbeiter:innen im Vordergrund, so werden jetzt methodische und soziale Kompetenz, sowie innovatives und kreatives Denken gefordert. Das entspricht im Wesentlichen den Prinzipien des Design Thinking. Der Mitarbeiter als Mitdenker und jemand der den Fokus auf ständiges Optimieren legt. Dieses Prinzip ist nicht unumstritten.
Design Thinking basiert darauf, dass Probleme dann besser zu lösen sind, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem die Kreativität fördernden Umfeld zusammenarbeiten. Dabei können Themen und Fragestellungen interdisziplinär besser gelöst werden. Ein wiederholter Durchlauf dieses Prozesses soll ein bestmögliches Ergebnis liefern. Design Thinking wird speziell in kreativen Bereichen und Großkonzernen als Projekt-, Innovations-, Portfolio- und/oder Entwicklungsmethode eingesetzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein kreativer Prozess durch Methodenwissen vollständig durchdesignt werden kann. Es braucht für diesen Vorgang allerdings einen methodisch fitten Designer. Die Kritik sieht darin den Schwachpunkt, denn Kreativität lässt sich vielleicht nicht in einen engen Rahmen des Design Thinking-Prozesses spannen.
Hybrid Thinking verfolgt einen etwas anderen, erweiterten Ansatz. Dabei kommt es darauf an, empathische Menschen mit differenter Ausbildung und Vorkenntnis, und der Fähigkeit zu hybridem Denken an die passenden Stellen einer Organisation zu setzen. Damit werden interdisziplinäre Teams gebildet, welche an den jeweiligen Fragestellungen gemeinsam arbeiten. Das bedeutet die erforderlichen Schaltstellen mit den geeigneten Personen zu besetzten und somit Teammitglieder zu rekrutieren, die zu hybridem und interdisziplinärem Denken in einer Person fähig sind. Insofern geht der Hybrid Thinking-Gedanke über das eher auf den Erhalt von Bestehendem gerichteten Design Thinking Prozess hinaus.
Leadership statt traditioneller Führung
Das Wichtigste ist meiner Ansicht nach, dass Führungskräfte lernen, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und sich an neue Situationen anzupassen. Und das muss unabhängig von neuen Konzepten und Modellen geschehen, damit sie in der zukünftigen Arbeitswelt ihren Platz finden. Traditionelles Führungsverhalten kann das nicht, Leadership ist gefragt. Dies zielt auf die unternehmerische Persönlichkeit der Führungskraft, auf Charakter und die menschlichen und sozialen Fähigkeiten ab. Leadership basiert auf einem positiven Menschenbild und umfasst auch die Übernahme von Verantwortung für die Mitarbeiter:innen. Ethik, Lernfähigkeit, persönliche Wachstumsfähigkeit, Redegabe, Kommunikationsfähigkeit, emotionale Stabilität, Integrität, Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit u. a. Im weiteren Sinne muss eine Führungskraft beides – Management- und Leadership-Fähigkeiten – erfolgreich miteinander vereinbaren.
In Bezug auf Leadership ist daher vor allem soziale Kompetenz gefragt. Die Frage ist zu beantworten, ob eine Führungskraft teamfähig, ist, kleine agile Teams führen kann und es ihr möglich ist so etwas wie einen Spirit eines „Teams of Excellence“ herbeizuführen. Weiters stellt sich die Frage, ob die Führungskraft in der Lage ist, Mitarbeiter:innen, die ihr Potential noch nicht erkannt haben, an ihre Möglichkeiten heranzuführen. Die Praxis zeigt, dass dies möglich ist.
Egal ob Design Thinking oder Hybrid Thinking als Kreativitätsmethode für Aufgabenstellungen zur Zukunftsbewältigung eingesetzt werden: Es braucht die richtigen Personen mit den passenden Fähigkeiten am richtigen Platz, um die Herausforderungen der digitalen Transformation bestmöglich meistern zu können.
Fazit: Digitalisierung ist mehr als nur die Umwandlung des Analogen
Es wäre zu einfach die Digitalisierung nur als die Umwandlung vom Analogen in das Digitale zu sehen. Beides ist wichtig und beides im richtigen Ausmaß miteinander zu verknüpfen wohl der einzig richtige Ansatz. „Intermedialisierung“ ist dazu das entsprechende Schlagwort.
Wir nehmen aus der technologische Entwicklung in Sprüngen erfolgend wahr, aber das menschliche Verhalten folgt diesen Sprüngen nicht, sondern ist eher mit einer stetigen Entwicklung vergleichbar. Die Kunst ist es nun, die Mitarbeiter:innen Schritt für Schritt in die neue Welt des Mindsets 4.0 mitzunehmen.