Führung neu gedacht - Erfolgreiches Leadership im 21. Jahrhundert
März 2023
Lesezeit: 9 Min
Alles wie immer? Künstliche Intelligenz, neue Rahmenbedingungen und ein anderes Bewusstsein. Wie erfolgreiches Führen jetzt und in Zukunft gelingen kann und warum alles mit einer guten Selbstführung beginnt. Meine Erfahrungen. Learnings und Impulse nicht nur für Führungskräfte.
Die Welt verändert sich rasant. Methoden, die in den letzten Jahren noch maßgebend und gültig waren, sind es heute nicht mehr. Ganz besonders bei Führungsthemen. Die Arbeitswelt ist im Begriff, sich vollkommen zu verändern und mit ihr auch die Menschen. Mehr denn je gilt: “Entweder du gehst mit der Zeit oder du gehst mit der Zeit“.
Die wichtigsten Themen im Überblick
- Meine Erfahrung – viel aus dem Bauch heraus
- Was macht eine gute Führungskraft aus und wie wird sie ausgewählt?
- Die innere Führung oder „Ego – nein danke“
- Hilfreiche Fragen für echte Leader
- Das alte Ordnungsprinzip hat ausgedient
- Behandlung als Objekt oder Subjekt
- Begegnung oder Beziehung (aufeinander einlassen)
- Verhalten versus Einstellung (wie gelingt Veränderung)
- Das neue Ordnungsprinzip und neuer Anspruch an Führungskräfte
- Führung neu denken und leben
- Fragen zur Selbstüberprüfung
- Fazit
Mein Weg: Lernen, Erfahrungen sammeln, zu mir finden.
Ich komme aus der Generation der Baby-Boomer und war über 40 Jahre in Führungspositionen tätig. Vieles habe ich durch Versuch und Irrtum gelernt, dabei viel Gutes erlebt und Erfahrungen gemacht. Zahlreiche Ausbildungen gaben mir Neuorientierung, stellten aber auch Sichtweisen auf den Kopf und prägten so meinen Lebensweg.
Anpassen, verändern, besser machen, am Puls der Zeit bleiben und voraus denken.
Schon in jungen Berufsjahren konnte ich in herausfordernden Jobs und Ausbildungen Prinzipien und Methoden mitnehmen, die mich geprägt haben. Und die – wie ich jetzt sehen kann – zu einem großen Teil noch immer Gültigkeit besitzen. Von autoritären, patriarchalischen, charismatischen, demokratischen, partizipativen bis hin zu Laissez-Faire Führungsstilen habe ich alles erlebt und überlebt.
Es hat einige Jahre gebraucht, bis ich meine eigene Art zu Führen gefunden habe. Ich hatte erkannt, dass es wichtig ist, die Mitarbeiter:innen zu stärken und sie in ihre Kraft kommen zu lassen. Sie dabei zu unterstützen ihr Potential zu nutzen. Ebenso ihnen zu vertrauen, sie ihre Fehler machen zu lassen und sie ganz einfach zu mögen. Der Kern aber war, ich hatte mich selbst gefunden! Von da an liefen die Zusammenarbeit, die Projekte, das Unternehmen bestens.
Meine Erfahrung – viel aus dem Bauch heraus
Ich habe während meiner beruflichen Laufbahn nie bewusst nachgedacht, was denn im Umgang mit Mitarbeiter:innen, mit Kolleg:innen und Vorgesetzten, Kund:innen und Lieferant:innen wichtig ist. Ich agierte aus dem Gefühl heraus. Merkte nur, ob etwas stimmig war oder nicht. Erst jetzt im Nachhinein, versuche ich zu analysieren und zu eruieren, was wie gewirkt hat und welche Elemente letztlich den Ausschlag für den Erfolg gegeben haben.
Nun möchte ich dieses Wissen und meine Erfahrungen weitergeben. Gerade junge Führungskräfte stehen vor vielen Herausforderungen und sollen vom Start weg perfekt funktionieren. Dabei haben viele ihre Rolle – oder auch sich selbst – noch nicht gefunden. Dazu kommen noch die Herausforderungen des Umbruchs in Wirtschaft und Gesellschaft. Welch eine Herausforderung!
Was macht eine gute Führungskraft aus und wie wird sie ausgewählt?
Es gibt unzählige Artikel, Bücher, Videos, Ausbildungen und Anweisungen. Daraus das Passende für sich selbst zu finden, ist nicht leicht. Den meisten Veröffentlichungen und Seminaren fehlt meiner Erfahrung nach etwas ganz Entscheidendes: Sich als Führungskraft selbst zu kennen und zu spüren, in seiner Mitte zu sein, sich zu fragen: Wo ich stehe ich? Wer bin ich und wie bin ich? Menschenkenntnis und die Liebe zu Menschen.
Die persönlichen Eigenschaften einer Führungskraft sind für mich der entscheidende Faktor, ob sie den Anforderungen des 21. Jahrhunderts genügen kann.
Sie entscheiden darüber, ob jemand „Leader“ ist oder nicht. Ob jemand die Fähigkeit besitzt andere Menschen zu inspirieren und zu motivieren und die eigenen Werte und Überzeugungen auch vorzuleben. Erst danach kommen all die Führungsprinzipien und Tools, die es zu beherrschen gilt.
Gute Führung gelingt, wenn ich mich selbst kenne und spüre, wo ich stehe, was ich ausstrahle. Authentizität und Integrität sind die besten Voraussetzungen, um als Führungskraft erfolgreich angenommen zu werden. Alles andere, wie die Art der Führung, die Methoden, das Handwerkszeug folgt danach. Die bekannten Verantwortlichkeiten, von der Strategie bis zur Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter:innen, sind sowieso Ihre Aufgabe.
Aus meiner Sicht sind in den letzten Jahren einige Muster bei der Auswahl der Führungskräfte erkennbar. Welche Kriterien kommen dabei zur Anwendung und sind diese zukunftstauglich?
Personalberater:innen, psychologische Tests, Hearings, Assessments und ähnliches werden unterstützend bei der Personalauswahl herangezogen. Was ist mit Faktoren wie Menschenkenntnis und Teamfähigkeit? Nach welchen Kriterien werden Positionen besetzt?
Zum einen werden gerne loyale, angepasste Mitarbeiter:innen ausgewählt. Zum anderen werden Führungspositionen auch mit Menschen besetzt, die gezeigt haben, dass sie durchsetzungsstark sind, also die Ellenbogen einzusetzen wissen. Oder die besten Sachbearbeiter:innen werden zu Führungskräften gemacht, obwohl ihnen die Qualifikation dazu fehlt. Schlüssig ist das für mich nicht.
Die innere Führung oder „Ego – nein danke“
Die innere Führung ist der Schlüssel zum Erfolg von Führungskräften und Mitarbeiter:innen in der Zukunft. Die innere Führung bedeutet, dass der Vorgesetzte mit sich selbst im Reinen ist und keine Ego-, Narzissten- oder Psychopathen-Spielchen braucht, um sich selbst zu beweisen.
Innere Führung heißt, in sich zu ruhen und es als seine Hauptaufgabe zu sehen, Mitarbeiter:innen und Teams zu stärken und in ihre Kraft zu bringen.
Hilfreiche Fragen für echte Leader
Haben Sie sich heute schon gefragt, wie Sie heute zu sich stehen? Gemeint ist damit, ob Sie gut bei sich sind, sich ausgeglichen fühlen, sich selbst schätzen und mit sich im Reinen sind. Wenn nicht, dann gibt es einiges zu tun.
Führungskräfte sollten bei sich selbst beginnen, sich selbst klären. Sonst übertragen sie ihre Unklarheit und negativen Befindlichkeiten auf ihr Team sowie das gesamte Umfeld.
Seinen Sie Beobachter, hören Sie gut zu und machen Sie sich ein Bild von ihren Mitarbeiter:innen, von deren Anliegen, Problemen und Sorgen, seien Sie Mentor:in und Coach. Wie sonst sollen die Menschen lernen, in ihre Kraft, in ihre Selbstverantwortung kommen?
Übergangsphase und zunehmende Unsicherheiten
Die gesamte Wirtschaft, die Gesellschaften, die Unternehmen und die Menschen befinden sich in einer Umbruchsphase, bei der wir noch nicht genau wissen, wo die Reise hingeht. Wir wissen nur, dass zunehmend Flexibilität sowie rasches und angepasstes Handeln erforderlich sind und vermehrt gefordert werden. Wir wissen auch, dass viele Methoden des vorangegangenen Jahrhunderts nicht mehr helfen. Neue, auch intuitive Möglichkeiten kombiniert mit zukunftsfähigen Werkzeugen, sind gefragt.
Da tritt rasch Überforderung ein, denn unser Gehirn ist darauf bedacht, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. In der Regel befindet es sich in einem Zustand der Kohärenz, d.h. im Gleichgewicht. Die neuen Herausforderungen fordern und stressen: Was kommt auf uns zu und wie gehen wir richtig damit um?
Auch Gesellschaften und Unternehmen verhalten sich kohärent. Die bestehenden hierarchischen Strukturen verbrauchen wenig Energie, alles ist eingespielt, befindet sich im Gleichgewicht. Das hat jetzt nichts Bürokratie zu tun, das ist ein anderes Thema.
Das Gegenteil wären Anarchien oder Revolutionen. Die fordern viel Energie und sind alles andere als im Gleichgewicht. Veränderungen und Umbrüche erfordern ebenso eine extra Portion an Energie.
Das alte Ordnungsprinzip hat ausgedient
Was wir jetzt sehr gut beobachten können: Hierarchien lösen sich zunehmend auf. Obrigkeitshörigkeit und das Vertrauen in Führungseliten werden immer geringer. Die Ereignisse der Pandemie haben da einiges beschleunigt, was sowieso schon in Veränderung begriffen war.
Ein 10.000 Jahre altes hierarchisches Ordnungsprinzip muss durch ein neues ersetzt werden, aber der Mensch ist nicht darauf vorbereitet. Es funktioniert nicht, wenn autokratisch geführt wird und die Mitarbeiter:innen in die Eigenverantwortung gehen sollen. Im Übrigen gibt es den Menschen seit ca. 200.000 Jahren – davon 95 Prozent der Zeit ohne Hierarchien, wie uns Anthropolog:innen erklären.
Darauf ist der Mensch nicht vorbereitet. Das hat auch die Pandemie klar gezeigt. Autokratisches Vorgehen mit Verboten, gepaart mit dem Aufruf zur Eigenverantwortung passen nicht zusammen. Daraus erfolgt Widerstand und Vertrauensverlust. Dasselbe gilt für die Führungsarbeit. Autokratische Führung und die Mitarbeiter:innen in die Eigenverantwortung bringen zu wollen, funktioniert nicht.
Wobei auch zu beobachten ist, dass es Länder, Gesellschaften und auch Unternehmen gibt, wo die Fähigkeit der Menschen, Verantwortung zu übernehmen, mehr ausgebaut ist als bei uns. Schweden bzw. die nördlichen Länder etwa, dort brauchen Regierungen nicht so viel anzuordnen.
Ähnliches lässt sich auch in Unternehmen beobachten. Dort, wo Mitarbeiter:innen mehr Verantwortung übernehmen, brauchen Führungskräfte nicht mehr viel anzuordnen. Das Problem besteht darin, dass wir uns sehr an Hierarchien gewohnt haben, dass es uns schwer fällt, uns etwas anderes vorzustellen.
Wir sollten uns wieder bewusst machen, dass die Natur und der menschliche Körper nicht hierarchisch geordnet sind und die Gesellschaften vor der Entwicklung des hierarchischen Systems auch nicht so organisiert waren. Dies bedeutet, dass die durch technologische und gesellschaftliche Entwicklungen ins Schwanken geratene hierarchischen Systeme in Gesellschaft, Politik und Unternehmen nicht so bleiben können. Wenn diese Annahme stimmt, welche Systeme könnten den Anforderungen der Zukunft gerecht werden?
Selbstorganisation als Lösungsweg
Bei Beobachtung des derzeitigen Zustandes der Erde, der Umwelt, der gesamten Wirtschaft mit all ihren Krisen erkennen wir, dass das bestehende System zwar im Hinblick auf die Vermögens-, und Machtakkumulation einzelner dominierender Menschen und Unternehmen sehr gut funktioniert hat, für die weltweite Allgemeinheit, die Umwelt und das Klima – vorsichtig ausgedrückt – katastrophal ist.
Klimaerwärmung, Umweltzerstörung, Pandemien, Armut, Ungleichverteilung, Kriege, usw. sind nicht zu leugnen. Ich glaube, es ist höchst Zeit vom hohen Ross unseres Wohlstandes abzusteigen und bei anderen, auch natürlichen Systemen nachzusehen, wie sie funktionieren und warum sie erfolgreich sind, ohne je kaum zu bewältigende Probleme geschaffen zu haben. Wie funktionieren natürliche Systeme? Wie funktioniert der menschliche Körper, usw.
Die Erkenntnis dabei ist – auch das zeigen uns Anthropolog:innen auf – dass alle natürlichen Systeme übereinstimmend ein Bild zeigen: Es gibt für jede Tätigkeit jemanden der das besonders gut kann. Derjenige übernimmt für diese Funktion die Führung. So einfach ist das, egal ob wir Primaten betrachten, Abläufe in der Natur oder die Funktionsweise unseres eigenen Körpers.
In Bezug auf die Aufgaben einer Führungskraft bedeutet das, die Mitarbeiter:innen gemäß ihren Fähigkeiten und Talenten einzusetzen. Und sie dabei zu stärken, ihre Talente zu entwickeln, also sie selbstermächtigt handeln zu lassen. Noch simpler geht’s nicht. Aber es braucht auch noch weitere Betrachtungen für die Qualifikation einer Führungskraft im 21. Jahrhundert.
Behandlung als Objekt oder Subjekt
Wie gehen wir miteinander um? Sehen wir unsere Mitarbeiter:innen und alle anderen Systempartner:innen als Objekte oder als Subjekte? Die Beobachtung zeigt, dass wir uns oft als Objekte betrachten.
Seine Mitarbeiter:innen als Objekte zu sehen, erstickt eine persönliche Weiterentwicklung bereits im Keim.
Ich hatte einige Vorgesetzte, die sahen ihre Mitarbeiter:innen als Produktionsfaktoren oder als Erfüllungsgehilf:innen, also als Objekte. Absichten, Ziele, Bewertungen, Maßnahmen usw. werden vorgegeben. Da ist kein Freiraum möglich, kein in die eigne Kraft kommen. Auch eine Potentialentfaltung ist damit unmöglich. Jemanden als Subjekt zu sehen bedeutet, ihn als vollwertigen, gleichgeschalteten Menschen mit allen seine Eigenschaften wahrzunehmen und zu behandeln. Damit wird Entwicklung ermöglicht.
Begegnung oder Beziehung
Sich zu begegnen bedeutet, sich aufeinander einzulassen. Dan anderen tatsächlich wahrzunehmen und zu sehen. Jeder Mensch hat, auch wenn man ihn nicht leiden kann, irgendetwas an sich, was es wert ist, gesehen und wahrgenommen zu werden. Bei Begegnungen sieht man sich als Subjekt. Bei einer Beziehung ist das nicht der Fall. Ich kann auch zu meinem Auto oder Hund eine Beziehung haben, deswegen bin ich ihm noch nicht „begegnet“.
Sich über den Unterschied zwischen Beziehung und Begegnung bewusst zu werden, ist mit einer der Schlüssel für eine erfolgreiche Führungsarbeit in der Zukunft.
Ein wesentliches Kennzeichen für eine Begegnung ist, dass ich meinem Gegenüber signalisiere, dass ich das Gegenüber mag und zumindest ein Lächeln schenke. Damit findet echte Begegnung statt und öffnet das Tor zur Entwicklung.
Verhalten versus Einstellung
In der psychologischen Praxis hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Versuch, bei einem Menschen das Verhalten direkt ändern zu wollen, nicht funktioniert. Für eine erfolgreiche Verhaltensänderung ist nämlich die innere Einstellung entscheidend.
Bisher wurde in den Ausbildungen meist darauf Wert gelegt, durch verschiedene Methoden und Interventionen direkt eine Verhaltensänderung zu bewirken. Dies führte dazu, dass Gesundheitsprogramme, Verhaltenstherapien, Resilienztrainings u.v.a.m. angeboten wurden. Wie die neuropsychologische Forschung zeigt, gelingt das nicht oder nicht gut.
Die Erkenntnis ist, dass das Verhalten eines Menschen über seine innere Einstellung gelenkt wird. Das bedeutet, dass eine Verhaltensänderung nur möglich wird, wenn es gelingt, die inneren Einstellungen zu ändern. Belohnung und Bestrafung sind bekannte Mittel zur versuchten Verhaltensänderung. Das führt zu angepasstem Tun und Ausweichhandlungen bzw. Rückfälle in alte Muster, sobald keine Kontrolle befürchtet wird.
„Ich lerne nur für gute Noten“ oder „Ich arbeite nur für Geld“. Beides Entsprechungen, die unglücklich machen, weil sie nicht authentisch sind, sondern einer inneren Verleugnung entsprechen. Die hat negative Folgen für die Betroffenen selbst und für alle, die in Verbindung dazu stehen. Die innere Einstellung bleibt gleich. Solche Menschen sind für die Arbeit problematisch, da es ihnen nicht um die Arbeit, sondern um anderes geht.
Neue Erfahrungen können innere Haltungen verändern
Wie lässt sich nun die innere Einstellung ändern? Am besten mit Situationen des eigenen positiven Erlebens, die dies ermöglichen. Damit beginnt Führungskunst im 21. Jahrhundert.
Die Führungskraft kann Rahmenbedingungen schaffen, welche den Mitarbeiter:innen Möglichkeiten für neue Erfahrungen bieten. Freude an der Arbeit beispielsweise, Anerkennung für die Arbeit, das Arbeiten in einem ausgezeichneten Team und hervorragendem Unternehmen mit Möglichkeiten zur Weiterentwicklung usw. Aus diesen Erfahrungen kann eine neue innere Haltung entstehen, die wiederum zu einer neuen Haltung führt. Damit werden alte neuronale Netze im Gehirn verkleinert bzw. gelöscht und neue, positive können entstehen.
Das neue Ordnungsprinzip und neuer Anspruch an Führungskräfte
Was wir weiters beobachten können, ist, dass Globalisierung, Digitalisierung, die Entwicklung neuer Technologien, also die technologische Transformation insgesamt, derart schnelle und große Veränderungen in unser Leben, in die Arbeitswelt und die Gesellschaft bringen, dass wir dem mental nur schwer folgen können. Das bedeutet, es braucht unbedingt eine mentale Transformation, um all den Änderungen im Geist noch folgen zu können. Alte Vorstellungen, Muster, Glaubenssätze, Prägungen usw. gelten nicht mehr. Neue sind gefragt.
Die zunehmende Komplexität, Agilität und Volatilität lassen uns erkennen, dass bestehende Hierarchien zu starr, zu wenig anpassungsfähig sind. Es braucht also ein neues, anderes Ordnungsprinzip. Damit verändert sich auch der Anspruch an Führungskräfte und Mitarbeiter:innen.
Führung neu denken und leben
Welche Anforderungen kommen auf künftige Führungskräfte zu?
Die Grundbedürfnisse des Menschen anerkennen
- Zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehören vor allem:
- Die Autonomie, d.h. zu wissen und zu zeigen, dass ich etwas kann.
- Die Zugehörigkeit, also das Wissen und Bewusstsein, zu einer Gruppe, einer Familie, einem Verein, einer Firma zu gehören.
Erst wenn diese beiden Bedürfnisse erfüllt sind, sind ein in die Kraft kommen und eine Potentialentfaltung möglich.
Bedürftigkeit und Abhängigkeit machen unfrei, engen ein und bewirken das genaue Gegenteil.
Die Würde des Menschen
„Als Menschenwürde versteht man die Vorstellung, dass alle Menschen unabhängig von irgendwelchen Merkmalen wie etwa Herkunft, Geschlecht oder Alter denselben Wert haben, da sie sich alle durch ein dem Menschen einzig gegebenes schützenswertes Merkmal auszeichnen, nämlich die Würde.“
(Charta der Grundrechte der Europäischen Union)
Wie oft wird gegen die Würde eines Menschen verstoßen? Auch im beruflichen Kontext. Aus Unachtsamkeit oder gar bewusst? Es ist die vornehmste Aufgabe der Führungskräfte, darauf zu achten und deren Einhaltung zu überwachen.
Auf Mitarbeiter:innen einlassen
Führungskräfte müssen die Mitarbeiter:innen mit ihren Stärken und Schwächen akzeptieren, ein unbedingtes Interesse an ihnen haben. In jeder Mitarbeiter:in steckt etwas, das man schätzen und würdigen kann, etwas das wertvoll ist. Dies zu erkennen, führt dazu, dass sich die Mitarbeiter:innen entfalten können.
Innere Führung bedeutet auch, dass ich bei jedem etwas finde, das ich mag. Damit ist ein Anknüpfen möglich.
Echte Eigenverantwortung
Anzustreben wäre, dass sich jedes Mitglied eines Teams oder eines Unternehmens so verhält, dass die Ziele, welche erreicht werden sollen für die Gemeinschaft, möglichst gut erreicht werden können und gut sind. Führungskräfte müssen den Mitarbeiter:innen ein Pouvoir zur Verfügung stellen, um ihre Fähigkeiten, Stärken und Talente einzubringen, sodass sie das Gefühl haben für Ihren Aufgaben und Verantwortungsbereich selbst „Unternehmer“ oder „Unternehmerin“ zu sein.
Wechselnde Führung
Die Kunst der Führung und Zusammenarbeit: Mitarbeiter:innen sollen Aufgaben übernehmen, welche die Führungskraft vorher gemacht hat. Jeder macht das, was er oder sie am besten kann. Dabei wechselt die Führung zu jener Person, deren Qualitäten gerade gefragt sind. Jedes Mitglied hat die innere Führung verinnerlicht, dann kann die wechselnde Führung gelingen. Natürlich bleibt die hauptsächliche Führungskraft in ihrer Rolle, gibt den Lead aber situationsbezogen ab. Das funktioniert nur, wenn es ein offenes, transparentes Klima des Vertrauens und die entsprechende Integrität aller Beteiligten gibt. Bei Startups funktioniert das immer wieder gut.
Ich kann mich nur selbst verändern
Eine der Haupterkenntnisse bei innerer Führung ist es, sich bewusst zu machen, dass es nicht möglich ist, jemanden zu verändern, sondern nur sich selbst.
Vereinbarungen statt Erwartungen
In der Regel stehen Erwartungen an die Mitarbeiter: innen im Vordergrund. Zum Beispiel, dass die Aufgaben pünktlich, vollständig und richtig erledigt werden. Erwartungen sind einseitig und machen abhängig, sie führen daher die Mitarbeiter:innen nicht in die Selbstermächtigung. Erwartungen bergen auch die Gefahr der Verführung und Manipulation in sich.
Vereinbarungen sind wesentlich bessere Alternativen.
Es braucht Regeln und Strukturen, innerhalb derer Arbeit geleistet werden kann. Sind sie vereinbart, so fühlen sich alle auf gleicher Augenhöhe, und Mitarbeiter:innen und Führungskräfte arbeiten mit ihrer inneren Führung.
Fragen zur Selbstüberprüfung
Es gibt gute Unternehmen, in denen innere Führung gelebt wird. Dies ist eher bei langfristig orientierten Familienbetrieben zu beobachten. In allen anderen Bereichen kaum.
Haben Sie sich schon einmal folgende Fragen gestellt?
- Welchen Sinn wollen Sie Ihrem Leben verleihen?
- Was bewegt Sie am Morgen aufzustehen und nicht liegen zu bleiben?
- Was ist für Sie wichtiger, Konkurrenz oder Kooperation?
Die Beantwortung dieser Fragen gibt Aufschluss über Haltung bzw. innere Einstellung.
Fazit
Die Aufgaben der Führungskräfte für das 21. Jahrhundert haben wenig mit dem bisher üblichen Führungsverhalten und den klassischen Führungsstilen zu tun. Die Handlungsalternativen für Führungskräfte im 21. Jahrhundert unterscheiden sich wesentlich von dem, was bisher in den Unternehmen gelebt wird: Narzissmus, Ego-Spielchen, Abhängigkeiten, klein machen, unterwerfen und auch falsche Besetzungen von Führungspositionen sind out. Aussagen von Führungskräften, keine Zeit für Führung zu haben, weil das Geschäft so fordert, sind ebenso out.
Führungskräfte des 21. Jahrhunderts nehmen eher eine Mentoren- und Coaching-Rolle ein. Der Chef muss nicht der Fleißigste, Beste, Klügste und Produktivste sein. Er staubt auch nicht die Erfolge der Mitarbeiter ab, nur um sein eigenes Ego zu stärken.
Die Führungskräfte des 21. Jahrhunderts lassen ihre Mitarbeiter:innen wachsen und sorgen dafür, dass ihre Fähigkeiten, Talente und Potentiale zur Wirkung kommen, um gemeinsam den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein.
Führungskräfte des 21. Jahrhunderts führen durch und mit „innerer Führung“.